Mehr Berührung. Mehr Mensch.
Eine bewusste Berührung ist vielleicht die heilsamste Antwort auf die größten Herausforderungen unserer Zeit. Stress, Leistungsdruck, Unsicherheit und emotionale Erschöpfung entfremden uns: von uns selbst, von anderen, vom Glück. Es fehlt uns etwas – körperlich, seelisch, sozial. Berührung kann diese Lücke schließen. Sie schenkt Sicherheit, Vertrauen und Verbundenheit. Sie bringt uns zurück ins Spüren, lässt uns den Puls des Lebens wieder fühlen und mit wacher Präsenz in der Welt stehen. Es ist Zeit für eine neue Berührungskultur, die uns auf einfache, natürliche Weise wieder mehr Mensch sein lässt.
Die Welt steht an einem Wendepunkt: Digitalisierung, Kriege, soziale Spannungen und globale Unsicherheiten prägen unseren Alltag stärker denn je. Diese Entwicklungen wirken sich nicht nur auf Politik und Wirtschaft aus – sie greifen tief in unsere Körper, unsere Seelen und unser soziales Miteinander ein. Mit weitreichenden Konsequenzen. Der permanente Stresslevel, die omnipräsente Reibung im kleinen wie im großen Miteinander, die nicht endend wollende Flut an negativen Informationen: Das alles laugt viele Menschen aus. Wichtige Fundamente des ganz normalen Lebens wanken oder bröckeln. Überforderung, Erschöpfung, Frustration und Unsicherheit machen sich breit. Der positive Blick in die Zukunft wird sukzessive schwieriger und immer mehr Personen leiden dadurch auf allen Ebenen: körperlich, geistig, emotional. Gesundheit ist längst nicht mehr nur eine Frage medizinischer Versorgung, sondern eine Frage der persönlichen Lebensgestaltung und Lebenshaltung. Wohlbefinden braucht heute aktive Selbstverantwortung – und Berührung spielt dabei eine Schlüsselrolle.
WIR SIND GEMACHT, UM BERÜHRT ZU WERDEN
Denn der Mensch ist an sich ein Berührungswesen. Wahre Zufriedenheit, Verbundenheit und Anerkennung entstehen immer erst dann, wenn wir durch etwas nachhaltig berührt wurden. Durch besondere Erlebnisse. Durch spezielle Momente. Durch andere Menschen. Durch Worte. Durch Musik. Durch Kunst. Durch einen Sonnenstrahl. Durch ein Kinderlachen. Durch eine herzliche Umarmung. Durch bewussten und achtsamen Körperkontakt. Werden wir vom Leben nicht auf einer tiefen Ebene berührt, schmecken die meisten Erfahrungen wie Salat ohne Dressing. Es fehlt die entscheidende Zutat, um auch der Seele und dem Herz zu schmeicheln, um diese wirklich satt zu machen. Da kann sich der Salat als noch so großer Erfolg, als noch so großer Meilenstein im Leben präsentieren – ohne den Aspekt der Berührung fehlen Genuss, Freude, und Erfüllung. Und wir darben weiter. Und wir suchen weiter. Immer und immer wieder. Das Hamsterrad der Unzufriedenheit. Dieses persönliche Defizit an Nähe ist kein Einzelschicksal, sondern spiegelt eine weltweite Entwicklung wider. Warum aber ist gerade hier Berührung so essentiell?
BERÜHRUNG IST UNSER URSPRUNG
Berührt zu werden, ist eines der wichtigsten und eines der am meisten unterschätzten Grundbedürfnisse. Der erste Sinn, der sich im Mutterleib zu entwickeln beginnt, ist der Tastsinn. Noch bevor wir sehen, hören oder riechen können, spüren wir. Der Tastsinn ist unser erstes Sinnesfenster zur Welt und die Haut – als unser größtes Organ – wird zur Landkarte unserer ersten Erfahrungen: ein sanftes Strömen des Fruchtwassers, das Streifen der Nabelschnur am Körper, das eigene Händchen, das zum Mund findet. Diese Berührungen sind unsere erste Kommunikation und dass ausgerechnet der Tastsinn vor allen anderen Sinnen erwacht, ist kein Zufall. Schon im Mutterleib ist er da, um uns Informationen zu vermitteln, um uns zu beruhigen, uns zu verbinden. Und nach der Geburt ist er der wichtigste Anker für den frisch auf die Welt gekommenen Menschen: Das Gefühl von Haut an Haut beruhigt den Herzschlag, stabilisiert die Atmung, stärkt das Immunsystem. In der körperlichen Berührung liegt die Botschaft: Du bist sicher. Du bist willkommen. Du bist. Das nährt und schafft Vertrauen. Vertrauen in sich selbst. Vertrauen in das Leben. Ohne diese Form der Zuwendung können Neugeborene physisch und psychisch verkümmern. Und ohne das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen steht die Weiterentwicklung der Persönlichkeit auf wackeligen Beinen: Urvertrauen versus Urangst. Berührung baut ein solides Fundament für alle weiteren Schritte.
Doch die Bedeutung des Tastsinns endet nicht mit dem Kindesalter. Im Laufe unseres Lebens bleibt er der Schlüssel zu Nähe, Zugehörigkeit und Trost. Berührung kann Ängste reduzieren, Schmerzen lindern, das Kreislaufsystem entlasten. Berührung lehrt uns Nähe, Distanz, Grenzen und Offenheit. Berührung schenkt uns Geborgenheit und Orientierung. Berührung hilft uns, mit zentralen Lebenswerten und den wichtigsten Bausteinen unserer Persönlichkeit in Kontakt zu treten. Und sie hilft uns, mit anderen in Kontakt zu treten. Denn Berührung ist nicht nur unser erstes, sondern auch unser ältestes Kommunikationsmittel – sie ist direkter als Worte und klarer als Blicke. Die Sprache der Berührung begleitet uns ein Leben lang. Sie ist die Brücke zwischen unserem Inneren und der Außenwelt – vom ersten Herzschlag bis zum letzten Atemzug. Wenn wir sie verlernen, verlieren wir einen Teil dessen, was uns menschlich macht. In einer Welt, die uns immer mehr voneinander trennt, erinnert uns der Tastsinn daran, dass wir auf Verbindung angelegt sind. Ohne Verbindung sind wir verloren. Wir verlieren uns, wir verlieren unseren Sinn und sind den Stürmen des Lebens ausgesetzt, ohne wirklichen Rückhalt. Daher sind unser Körper und unsere Seele darauf programmiert, immer wieder Berührung zu suchen. Und die Sprache der Haut erinnert uns daran: Wir sind nicht nur Denker oder Macher – wir sind hautsächlich Fühlende. Daher kann man den Menschen durchaus als Berührungswesen bezeichnen.
Trotzdem haben wir gerade die vielen kleinen Berührungspunkte der Körperlichkeit aus dem Alltag verbannt. Berührung hat ihre Unschuld verloren, vor allem auch seit der Pandemie. Wir sollten jedoch mit einem Umdenken beginnen: Wir brauchen wieder eine Kultur, in der Berührung nicht stigmatisiert, tabuisiert, sexualisiert oder vermieden, sondern wertgeschätzt, gelernt, gepflegt und gelebt wird. Eine Kultur, in der Berührung nicht als Schwäche gilt, sondern als Kompetenz. Eine Kultur, in der wir wieder spüren dürfen – uns selbst und einander. Berührung ist kein Luxus, sondern existentiell. Dabei geht es in Summe jedoch um wesentlich mehr. Es geht um die individuelle und die kollektive Gesundheit. In den kommenden Jahren zeichnen sich fünf zentrale Herausforderungen und Trends ab, die unser physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden stark beeinflussen werden…
DIE HERAUSFORDERUNGEN
- Digitale Erschöpfung und körperliche Entkopplung: Die ständige Erreichbarkeit, Bildschirmzeiten von bis zu zehn Stunden täglich, Bewegungsmangel und die zunehmende Virtualisierung des Alltags führen zu einem Verlust von Körperbewusstsein. Der Mensch verlernt, sich zu spüren. Chronische Verspannungen, Schlafstörungen, Augenprobleme und Erschöpfungszustände nehmen rasant zu. Die Digitalisierung bringt Komfort – aber auch Entfremdung vom eigenen Leib.
- Psychische Belastungen durch Krisendichte: Pandemien, Kriege, wirtschaftliche Unsicherheit, Klimakrisen – die Dichte globaler Herausforderungen führt bei vielen Menschen zu einem Zustand permanenter innerer Alarmbereitschaft. Angststörungen, Depressionen und Burnout werden laut WHO zu den häufigsten Krankheitsbildern der kommenden Jahre zählen. Die Psyche ist überfordert vom Dauerstress – und der Mangel an stabilen, nährenden Kontakten verschärft das Problem.
- Einsamkeit als stille Pandemie: Besonders in westlichen Gesellschaften nimmt soziale Isolation dramatisch zu – quer durch alle Altersgruppen. Immer mehr Menschen leben allein, ohne regelmäßige Nähe, ohne zwischenmenschliche Wärme. Laut Studien ist Einsamkeit gesundheitsschädlich. Sie greift das Herz-Kreislauf-System an, fördert Demenz und schwächt das Immunsystem. Und doch wird sie gesellschaftlich noch immer zu wenig beachtet.
- Entwertung von Intimität und Nähe: In einer Welt voller schneller Reize und digitaler Ablenkung verlieren tiefere Formen von Nähe und Intimität an Bedeutung. Körperkontakt wird oft sexualisiert oder mit Misstrauen belegt. Gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach echter Verbindung – aber es fehlen kulturelle Räume, in denen Berührung als Ausdruck von Mitgefühl, Respekt und menschlicher Wärme gelernt und gelebt werden kann.
- Verlust der Selbstregulation: Stress, Informationsflut und emotionale Dauerüberforderung führen dazu, dass viele Menschen die Fähigkeit verlieren, sich selbst zu regulieren. Der Zugang zur inneren Mitte, zur Ruhe und zu einem gesunden Körpergefühl wird erschwert. Es braucht neue Formen von Bildung und Praxis, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern Selbstwahrnehmung, Resilienz und emotionale Kompetenz fördern.
BERÜHRUNGSKULTUR ALS ANTWORT
Was wäre, wenn wir diese Herausforderungen nicht nur als Bedrohungen sehen – sondern als Fragen? Fragen an unsere Kultur, an unser Miteinander, an das, was wir wirklich brauchen? Genau aus diesem Grund brauchen wir eine neue Form der Berührungskultur: Als Antwort auf diese Fragen. Berührung – achtsam, respektvoll, bewusst – soll wieder im Zentrum unseres Menschseins stehen. Nicht als Technik. Sondern als Haltung. Als gelebte Verbindung zwischen Körper, Seele und Gemeinschaft. Warum?
- Rückkehr zum Körper: Spüren statt Scrollen. Berührung führt uns unmittelbar zurück in den Moment – in die Gegenwart des Körpers. Sie durchbricht den digitalen Autopilot. Ob durch Shiatsu, bewusste Umarmungen oder einfache Gesten des Kontakts: Wer berührt wird, spürt sich. Die Berührungskultur fördert eine Rückbindung an den Leib – als Gegengewicht zur zunehmenden Virtualisierung des Lebens. Sie erinnert uns daran: Gesundheit beginnt mit Verkörperung.
- Berührung als Anker in unsicheren Zeiten: Achtsame Berührung wirkt wie ein innerer Anker. Sie beruhigt das Nervensystem, senkt Stresshormone und erzeugt Vertrauen. In einer Welt voller Unsicherheiten kann körperliche Zuwendung Halt geben – unabhängig von Worten oder äußeren Lösungen. Die Berührungskultur bietet Raum für diese heilsamen Kontakte – in therapeutischen Settings ebenso wie im Alltag.
- Nähe gegen die Einsamkeit: Die Berührungskultur schafft Räume, in denen Nähe wieder selbstverständlich wird – jenseits von Scham oder Missverständnissen. Sie will eine neue soziale Praxis etablieren, in der sich Menschen wieder mit Offenheit, Achtsamkeit und Respekt begegnen. In Familien, in Freundeskreisen, in der Pflege, in Bildungseinrichtungen. Wo Berührung gelebt wird, entsteht Beziehung. Und wo Beziehung wächst, schwindet Einsamkeit.
- Eine neue Ethik der Berührung: Die Berührungskultur versteht Berührung nicht als private Angelegenheit, sondern als kulturelle Kompetenz. Sie will helfen, ein neues Verständnis von Nähe zu entwickeln – jenseits von Misstrauen oder Übergriffigkeit. Eine achtsame Berührung ist kein Übergriff, sondern eine Gabe. Die Bewegung steht für einen bewussten Umgang mit Körperkontakt: klar, respektvoll, menschlich. So entsteht ein neues Miteinander.
- Selbstregulation durch achtsame Praxis: Wer regelmäßig achtsame Berührung erfährt, stärkt seine Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung – und damit zur Selbstregulation. Die langsame, präsente Berührung im Shiatsu oder anderen manuellen Methoden aktiviert das parasympathische Nervensystem – das System für Regeneration und innere Balance. Die Berührungskultur fördert diese Prozesse – als gelebte Gesundheitsbildung für Körper und Seele.
LASS DICH DOCH MEHR BERÜHREN
Die Berührungskultur ist für mich weit mehr als eine Idee – sie ist eine Einladung, um die Antwort auf die Herausforderungen unserer speziellen Zeitqualität proaktiv in die Hand zu nehmen und Menschlichkeit neu zu denken. Nicht als abstrakten Wert, sondern als spürbare Erfahrung. Dazu können viele kleine Gesten im Alltag beitragen. Ob das Zulassen von kleinen Berührungspunkten oder Umarmungen. Und natürlich auch: Körperzentrierte Behandlungsformen können einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, Berührung neu zu entdecken und zu erfahren. Wie zum Beispiel Shiatsu. Das ist mein Hintergrund, meine Leidenschaft.
Shiatsu ist eine Form von Massage. Aber in Shiatsu geht es vor allem um die Art und die Qualität der Berührung. Shiatsu berührt nicht nur den Körper, sondern immer den gesamten Menschen. Jede Berührung folgt dem Atem, fühlt, spürt, hört zwischen den Zeilen. Shiatsu-Praktizierende erleben täglich, wie Menschen durch diese besondere Form der achtsamen Berührung wieder Zugang zu sich selbst finden und von hieraus ein Heilungsprozess auf allen Ebenen initiiert werden kann. Das ist keine Technik – das ist Beziehung in Bewegung. Shiatsu ist gelebte Berührungskultur.
Methoden wie Shiatsu sollten eine tragende Position inmitten unserer Gesellschaft finden, da sie eine konstruktive Antwort auf die aktuellsten und dringendsten Herausforderungen unseres Zeitgeistes liefern. Methoden wie Shiatsu sind eine wertvolle Brücke, die Körper und Geist verbinden und Problemstellungen nicht isoliert betrachten. Und genau das brauchen wir. Jetzt.
EINE MILLION BERÜHRUNGEN
Mein Ziel ist eine Million Berührungen. Das schaffe ich natürlich nicht allein. Dazu brauche ich Deine Hilfe als Person, die mit Shiatsu in Verbindung steht. Wie können wir möglichst viele Menschen einladen, Teil dieser Kultur zu werden?
- Teile und verbreite die Wichtigkeit von Berührungen. Wir brauchen täglichen Körperkontakt als Brot für die Seele. Es geht nicht um Shiatsu, es geht darum, das Bewusstsein für die Notwendigkeit zu schärfen, sich wieder mehr berühren zu lassen. Ich starte diesbezüglich eine Kampagne rund um Berührungskultur auf facebook.com/InternationalHaraShiatsuInstitute – sei doch einfach Teil davon.
- Wie schaffen wir gemeinsam eine Million Berührungen? Vielleicht hast Du ja eine Idee, wie wir das erfassen und auch kommunizieren könnten? Ich freue mich über sehr über kreative Impulse und Mitarbeit 😉
Letztendlich haben wir es in der Hand. Es liegt an uns, etwas Schönes daraus zu machen. Lass uns gemeinsam die Welt berühren – im wörtlichsten Sinn. Jede Berührung zählt. Mach mit…